Erfolgserlebnisse und ErgebnisProfessor Günter Dippold
In der Tat: Dippold ist ein Ereignis. Kaum ein Franke weiß so viel über Franken zu berichten, wie der Professor aus dem oberfränkischen Lichtenfels. Erhebt er seine Stimme, dann hört man ihn nicht nur, dann lauscht man ihm. Dann steigen die Schicksale Einzelner auf, dann präsentiert sich das, was im Konzert großer Zusammenhänge untergeht, in seiner Alltäglichkeit. Beinahe so, als wolle der Professor lehren, dass Geschichte auch die Summe der kleinen Alltäglichkeiten ist, menschelt es in seinen Vorträgen, übt er Verzicht auf schwarz-weiße Vereinfachungen zugunsten eines mitreißenden Grautons. Ein solcher Widerspruch muss einem erst einmal gelingen.
1961 wurde der Historiker und Volkskundler in der Schney geboren, wie dieser Lichtenfelser Stadtteil mit professoraler Zustimmung zwar kurios aber richtig ausgesprochen wird. Vielleicht erklärt diese von Arbeitern geprägte kleine Welt Dippolds Sinn für das Betrachten der Geschichte von unten, für das Erforschen ihrer Auswirkungen in den Alltag der Menschen hinein. Die großen Zusammenhänge kennt er sowieso. Lokale Mikrostudien nennt sich das, was der Mann auf Basis genauer Kenntnisse der großen historischen Zusammenhänge erarbeitet. Wer Lust auf Zählen hat, wird auf weit über 300 Veröffentlichungen kommen, an denen Dippold in Oberfranken für Oberfranken wirkte. Das Rüstzeug eines Historikers und Volkskundlers erhielt er an den Universitäten Bamberg, Regensburg, Erlangen-Nürnberg. In Bamberg promovierte er 1993 über die Konfessionalisierung am Obermain. 509 Seiten! Sehr viel dicker ist das Lieblingsbuch Günter Dippolds auch nicht: Umberto Ecos Der Name der Rose. Hierin versenkt er sich gerne immer und immer wieder.
Günter Dippold hat einen besonderen Bezug zu Mikrophonen: Er mag sie nicht! Er braucht sie auch nicht, hat er doch eine tragende Stimme. Sie hat durchaus ein gewisses Pensum zu erfüllen. Da wären beispielsweise Reden zur Lage der (fränkischen) Nation auf Münchener Veranstaltungen. Ihnen sieht man im Süden mit leichtem Unbehagen, im oberfränkischen Regierungsbezirk hingegen mit gespanntem Interesse entgegen. Dippold kann unbequem sein.
Aber immer charmant. Auch ein solcher Widerspruch muss einem erst einmal gelingen.
Mit schöner Regelmäßigkeit zieht der Professor auch durch die Fluren, hin zu bedeutenden Bauwerken oder viel sagenden Orten. Exkursionen für den großen Geschichtsverein CHW (Colloquium Historicum Wirsbergense), dessen Vorsitzender er ist. Ein Vorsitz, der Arbeit mit sich bringt. Es geht um das Erschließen neuer Themen, um Planungen für Vorträge weit im Voraus, um den Kontakt zu den einzelnen Leitern der Bezirksgruppen, um den Druck neuer Bücher. Themawechsel: Sehr verbunden fühlt sich Günter Dippold dem Korbmacherhandwerk. Ab 1992 war er als Leiter des Deutschen Korbmuseums in Michelau i. OFr. tätig. Von seiner Neugierde als Wissenschaftler und Historiker entbunden hat ihn das nicht. Um diese Zeit nämlich entstanden erste heimatliche Schriften, beispielsweise über die Baugeschichte des Rathauses von Lichtenfels oder die Ortsgeschichte von Mistelfeld. Paralleles Arbeiten scheint eine Spezialität des Oberfranken zu sein. 1994 wurde er zum Leiter des Sachgebiets Kultur- und Heimatpflege beim Bezirk Oberfranken ernannt. Dennoch übernahm der junge Mann von 1995 bis 2002 zusätzlich einen Lehrauftrag für Historische Hilfswissenschaften an der Universität Bayreuth. Und von 2000 bis 2004 waltete Dippold als Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Volkskunde / Europäische Ethnologie der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und wurde dort im Sommer 2004 zum Honorarprofessor ernannt.
Bezirksheimatpfleger. Ein ulkiges Wort übrigens, denn der Begriff Heimatpflege ist dem Duden nicht geläufig. In Bayern gönnt man sich sieben hauptamtliche Heimatpfleger (je einen pro Regierungsbezirk), deren Aufgabe es ist, sich mit der Denkmalpflege, der Volkskunde, der Archäologie und der Museologie auseinanderzusetzen. Immer im Blick dabei ist die Bewahrung und Pflege des historischen Kulturerbes. Das ist das Anliegen des leidenschaftlichen Arbeiters Günter Dippold. Und so erklären sich die unterschiedlichsten Themen, zu denen er forschte oder recherchierte, ganz gleich, ob sie die Berufszuschreibungen und Erwerbsrealität in fränkischen Kleinstädten vom 16. bis ins frühe 19. Jahrhundert berührten, oder die Säkularisation des Hochstifts Bamberg 1802/03 oder die Bedingungen kleinstädtischer Musikpraxis im frühneuzeitlichen Franken erhellten.
Auf die Frage, ob sein Beruf nicht Stress bedeute, antwortete Günter Dippold in Abwandlung eines Woody-Allen-Zitats einmal launig mit wenn man ihn richtig macht (schon). Dass er diesen Beruf richtig ausübt und besonders richtig launig das finden die vielen Fans (ja, so etwas kann ein Historiker auch haben) seiner Vorträge und Exkursionen auch. Sie sind lehrreich und höchst amüsant. Charmant listig mitunter. So gesehen ist Günter Dippold nicht nur Bezirksheimatpfleger, sondern sogar Becircheimatpfleger. Wen wundert es da, dass ihm der Frankenwürfel verliehen wurde. Auch mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande wurde er für sein Forschen bedacht. Bedenkt man das Arbeitspensum des Bezirksheimatpflegers und die begrenzte Anzahl der Stunden eines Tages, so stellt man fest: Ein solcher Widerspruch muss einem erst einmal gelingen.
(von Markus Häggberg)